Künstliche Intelligenz und Geopolitik: Wie Technologie zur neuen Waffe wird
- Nico Dudli

- vor 2 Tagen
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Der Wettlauf um Künstliche Intelligenz und Geopolitik zwischen USA und China
Im Sommergespräch des Aspen Security Forums treffen zwei Schwergewichte aufeinander: David Sanger, mehrfach ausgezeichneter Journalist der New York Times und einer der profiliertesten Experten für nationale Sicherheit in den USA, und Kent Walker, Präsident für globale Angelegenheiten bei Google, derjenige also, der weltweit die politische und ethische Verantwortung des Konzerns trägt.
Beide bewegen sich seit Jahren an der Schnittstelle von Technologie, Politik und Macht. Und beide sehen denselben Trend: Künstliche Intelligenz und Geopolitik sind heute untrennbar miteinander verwoben, Technologie ist nicht länger nur ein Werkzeug, sondern ein zentrales Machtinstrument im globalen Wettbewerb.
Technologie ist längst nicht mehr neutral, sie ist zum geopolitischen Werkzeug geworden.

Vom Werkzeug zum Machtinstrument
Noch vor wenigen Jahren galt Technologie als Motor des Fortschritts, verbindend, offen, demokratisch. Heute ist sie Zündstoff in einem globalen Machtspiel.„Wir wollten uns lange aus der Politik heraushalten“, sagt Kent Walker. „Aber mittlerweile stehen wir im Zentrum jeder Diskussion.“
Google, einst Sinnbild für das offene Internet, wird seit Jahren Ziel hochentwickelter Cyberangriffe. Das Unternehmen hat daraus gelernt und eigene Schutzmechanismen entwickelt, wie das Programm Project Shield, das Medien und Regierungen vor digitalen Attacken schützt.
Doch Walkers Blick geht weiter:
Künstliche Intelligenz sei nicht einfach ein neues Tool, sondern „eine Revolution darin, wie wir überhaupt Fortschritt erzielen“.KI beeinflusst Energie, Landwirtschaft, Medizin, Bildung und zunehmend auch Sicherheitspolitik.
Der neue Kalte Krieg: USA gegen China
Wenn heute über geopolitische Rivalitäten gesprochen wird, geht es weniger um Territorien, sondern um Technologiehoheit.David Sanger beschreibt die Lage klar: Der Wettstreit zwischen den USA und China ist ein technologischer Systemkonflikt – ein Rennen um Daten, Chips und Rechenleistung.
China investiert über das Programm AI Plus hunderte Milliarden Dollar in Forschung, Infrastruktur und Subventionen. Die USA setzen auf Innovationskraft, private Tech-Giganten und ein Ökosystem, das Geschwindigkeit vor Zentralisierung stellt.
„Es geht nicht darum, wer zuerst erfindet, sondern wer am besten umsetzt“, erklärt Walker.„Und je schneller China wird, desto schneller müssen auch wir werden.“
Das Rennen um KI wird so zur neuen Form globaler Machtprojektion, mit unklarem Ausgang.
Cyberkrieg: KI auf dem digitalen Schlachtfeld
Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, wie sehr sich Konflikte verändert haben.Russische Cyberangriffe sollten die Infrastruktur der Ukraine lahmlegen – doch der totale digitale Zusammenbruch blieb aus.
Einer der Gründe: Zusammenarbeit zwischen Staaten und Tech-Unternehmen.Google, Microsoft und Cloudflare halfen, kritische Systeme zu sichern. Walker erinnert sich:„Wir unterstützten Regierungsseiten mit Schutzprogrammen und passten Google Maps so an, dass Zivilisten sicher fliehen konnten - ohne militärische Ziele zu verraten.“
Doch die eigentliche Wende kam in der Luft: billige, teils KI-gesteuerte Drohnen zerstörten millionenteure Militäranlagen.
„Ein 1’000-Dollar-Drohne kann heute ein 100-Millionen-Dollar-Flugzeug ausschalten“
,sagt Walker. Ein Sinnbild dafür, wie technologische Innovation militärische Logik auf den Kopf stellt.
Wer kontrolliert die KI - die Angreifer oder die Verteidiger?
Kann künstliche Intelligenz die Welt sicherer machen oder gefährlicher?Für Kent Walker liegt die Antwort im Einsatz:
„Wenn wir KI nutzen, um Netzwerke zu überwachen und Schwachstellen zu erkennen, bevor Angreifer sie finden, hilft sie uns. Aber wenn kritische Infrastrukturen sie nicht einsetzen, nutzen Angreifer sie gegen uns.“
Seine Botschaft: Sicherheit durch KI ist keine Option mehr, sondern eine Pflicht. Nur wer lernende Systeme zur Verteidigung nutzt, kann im digitalen Wettrüsten mithalten.
Was fehlt: Diplomatie
David Sanger zieht den Vergleich zur Hochphase des Kalten Kriegs: Während die Supermächte damals über Abrüstung verhandelten, fehlt heute jegliche Form eines digitalen Gegenstücks.
„Ich hätte erwartet, dass wir bis 2025 Wege gefunden hätten, mit China oder Russland über Deeskalation zu sprechen. Aber wir sind nirgendwo.“
Walker stimmt zu und warnt gleichzeitig: Selbst mit Diplomatie bleiben Bedrohungen durch Hackergruppen, Söldnerstaaten und Einzelakteure bestehen.
„Wir müssen diplomatisch abkühlen und technologisch aufrüsten“
Eine Welt auf digitalem Pulverfass
Sanger sieht die Ukraine als Symbol einer Zeitenwende: „Es ist ein Krieg, der gleichzeitig an drei Fronten stattfindet, 1918 im Schützengraben, 1945 in der Luft und 2025 im Netz.“ Technologie habe den Krieg nicht nur verändert, sie habe ihn demokratisiert. Jeder mit Internetzugang und Know-how könne Teil davon werden.
Und genau das ist das Dilemma: Je mächtiger Technologie wird, desto schwieriger lässt sie sich kontrollieren.
Fazit: Die Welt im Algorithmus
Künstliche Intelligenz ist längst kein Forschungsfeld mehr. Sie ist das Fundament einer neuen geopolitischen Ordnung.Staaten wetteifern, Konzerne verteidigen, Hacker attackieren – und die Diplomatie hinkt hinterher.
David Sanger fasst es mit einem treffenden Bild zusammen:
„Cyber ist nicht wie ein Atomsprengkopf - es ist wie ein Thermostat. Man kann die Temperatur verändern, aber nie ausschalten.“
Über den Autor
Nico Dudli ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsinformatik und Gründer von TechNovice.net. Er beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz, Cybersicherheit und digitalen Trends – mit dem Ziel, Technologie verständlich und praxisnah zugänglich zu machen.

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