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Quantencomputing – Wo steht die Schweiz 2025 wirklich?

  • Autorenbild: Nico Dudli
    Nico Dudli
  • 17. Mai
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 18. Mai

Quantencomputing verspricht Fortschritte in Klimaforschung, Medizin und Cybersicherheit. Doch wie weit ist die Technologie 2025 tatsächlich – und wie positioniert sich die Schweiz im internationalen Vergleich?


TechNovice liefert einen faktenbasierten Überblick mit Stimmen aus Praxis und Forschung – unter anderem von Damir Bogdan, CEO von QuantumBasel, ergänzt durch kritische Einschätzungen internationaler Experten.


Inhaltsverzeichnis



Quantenchip
Quantenchip

Was ist Quantencomputing – und wie funktioniert es?


Klassische Computer arbeiten mit Bits – also 0 oder 1. Quantencomputer verwenden Qubits, die dank Superposition 0 und 1 zugleich repräsentieren können – vergleichbar mit einer rotierenden Münze in der Luft. Durch Verschränkung bleiben Qubits über Distanzen hinweg miteinander verbunden – ein Effekt, der paralleles Rechnen auf ein neues Niveau hebt.


„Ein Quantenrechner arbeitet auf atomarer Ebene mit den Gesetzen der Quantenmechanik“, erklärt Damir Bogdan. „Er ergänzt klassische Systeme, ersetzt sie aber nicht.“

Es gibt nicht den einen Quantencomputer:


„Es gibt verschiedene Hardware-Architekturen – etwa Ionenfallen, Supraleiter, Annealer oder künftig vielleicht Spin Qubits. Welche sich durchsetzt, ist offen“, so Bogdan.

Diese technologische Vielfalt zeigt, wie dynamisch – und gleichzeitig noch unübersichtlich – das Feld heute ist.


Trotz erster Erfolge ist Quantenhardware noch instabil. Fortschritte in der Fehlerkorrektur gelten als Schlüsselfaktor. IBM stellte 2023 mit „Condor“ einen 1.121-Qubit-Prozessor vor – ein Quantensprung gegenüber „Eagle“ (127 Qubits).


Quantencomputer einfach erklärt

Vereinfacht erklärt


Stell dir einen normalen Computer wie einen Lichtschalter vor: Er ist entweder aus (0) oder an (1). So rechnen klassische Computer – mit klaren Zuständen.


Ein Quantencomputer ist wie ein Schalter, der gleichzeitig an und aus sein kann. Möglich macht das ein Quantenbit – kurz Qubit. Das klingt verrückt, ist aber genau das, was ihn so leistungsfähig macht.


Merk dir: Ein Qubit ist wie eine Münze, die in der Luft rotiert – sie ist noch nicht Kopf oder Zahl, sondern beides gleichzeitig.


Und es geht noch weiter: Qubits können miteinander verbunden sein, auch wenn sie weit auseinanderliegen. Wenn du eins davon veränderst, reagiert das andere sofort – wie ein Gedankenblitz über tausende Kilometer. Das nennt man Verschränkung.


Warum Quantencomputing mehr ist als nur ein technischer Fortschritt


Quantencomputer lösen keine alltäglichen Aufgaben schneller – sie eröffnen neue Wege für Herausforderungen, an denen klassische Computer scheitern.


Konkret geht es um:

  • Neue Medikamente, dank schnellerer Molekülsimulationen

  • Bessere Materialien, z. B. für Akkus, Solarzellen oder Baustoffe

  • Klimamodelle, die realistischer werden

  • Sicherere Verschlüsselung, um Daten langfristig zu schützen

  • Effizientere Planung, z. B. im Verkehr oder in der Energieversorgung


Quantencomputer könnten nicht einfach Prozesse beschleunigen – sondern ganz neue Lösungen ermöglichen. Genau deshalb gilt die Technologie als potenziell revolutionär.


Quantencomputing in der Schweiz und im internationalen Vergleich


Land

Investitionen 2024

Strategie

Anbieter

Quelle

USA

> 5 Mrd. USD

Massive staatliche + private Förderung

IBM, Google, IonQ

China

> 15 Mrd. USD

Staatlich koordiniert, technologieoffen

Baidu, Alibaba

Schweiz

< 100 Mio. CHF

Fokussiert, praxisnah, hybrid

QuantumBasel, ETH, CSCS


Ein Blick nach Arlesheim – wo die Schweiz Quantenrealität schafft


Seit Dezember 2024 steht in Arlesheim ein IonQ-Rechner mit 35 algorithmischen Qubits – betrieben von QuantumBasel. Damit gehört die Schweiz zu den wenigen Ländern weltweit, die Zugang zu praxisnaher Quantenhardware haben.


Wir setzen auf technologische Vielfalt. Niemand weiss, welche Architektur sich durchsetzt“, erklärt Damir Bogdan

Die nächste Generation solcher Systeme soll laut ihm eine rund milliardenfache Leistungssteigerung ermöglichen – ein ambitioniertes Ziel, das die Skalierbarkeit der Technologie unterstreicht.


IonQ-Rechner von QuantumBasel in Arlesheim
IonQ-Rechner von QuantumBasel in Arlesheim


Was ist 2025 konkret möglich?


QuantumBasel hat laut eigenen Angaben mindestens 15 Pilotprojekte umgesetzt. Einige Beispiele:


Pfizer


Gemeinsames Pilotprojekt im Bereich Medikamentenherstellung.


„Wir haben bewiesen, dass man mit Quantenrechnern die Produktion massiv beschleunigen kann – bei gleichbleibender Qualität“, erklärt Bogdan.

Ergebnis:

  • Das Projekt drehte sich um Effizienzsteigerung in der Produktion.

    → Produktionszeit wurde signifikant verkürzt, Anzahl verspäteter Lieferungen reduziert.

  • Komplexe Proteinanalysen bleiben klassischer IT vorbehalten – der Quantenrechner ergänzt, ersetzt aber nicht.




VINCI Energies


Ein Quanten-Annealer wurde zur Optimierung von HVAC-Systemen eingesetzt.


Ergebnis:

  • Wesentliche Material- und Energieeinsparungen

    → Simulationsergebnisse lagen sofort vor statt über längere Zeiträume hinweg.


Besonders relevant für Grossprojekte wie Industrie- oder Bürogebäude.




UBS & Co.


Mehrere Banken testen quantengestützte Monte-Carlo-Simulationen für Risikomodelle.

Ergebnis:

  • Modellabweichungen wurden um 5–10 % reduziert

  • Ein Projekt zeigte eine 7 %-Reduktion – mit direkter Auswirkung auf Kapitalplanung und Compliance.



Moonlight AI


Gemeinsam mit QuantumBasel untersuchte ein ETH-Team Quantum Machine Learning in der Blutdiagnostik.


Ergebnis:

  • 80 % weniger Rechenaufwand

  • 10 % höhere Genauigkeit


Das Projekt gilt als Leuchtturm für medizinische Anwendungen.




Der „Q-Day“ – Risiko oder Spekulation?


Als Q-Day gilt der Zeitpunkt, an dem Quantencomputer gängige Verschlüsselungssysteme – z. B. die von Banken – knacken könnten.


Einschätzung

Quelle

3 % Wahrscheinlichkeit bis 2030, 33 % bis 2035

Damir Bogdan (QuantumBasel)

Nicht vor 2035

Jack Hidary (SandboxAQ)


Klar ist: Die Umstellung auf quantensichere Standards wie CRYSTALS-Kyber braucht Jahre. Das NIST empfiehlt vier neue Standards, denen auch europäische Behörden folgen.





Was fehlt für den Durchbruch?


Bogdan nennt drei Schlüsselfaktoren:


1. Hardware


  • Kühlung, Materialqualität und Stabilität müssen sich weiter verbessern.


2. Algorithmen


  • Laut WIPO verdoppelte sich die Zahl der Quantenpatente zwischen 2020–2023.

  • Über 50 % stammen aus China.


3. Anwendungen


  • Die Schweiz liefert Leuchtturmprojekte – aber globale „Killer-Apps“ fehlen bisher.


Technologieanalyst Olivier Ezratty warnt vor einem „Quantum Winter“ – einem Einbruch von Vertrauen und Finanzierung, wenn die Technologie Erwartungen nicht erfüllt.


Energieeffizienz – der stille Trumpf?


System

Stromverbrauch (pro Stunde)

IonQ Quantenrechner

ca. 17 Kilowattstunden (wie ein Wäschetrockner)

Supercomputer

bis zu 5 Megawatt – das entspricht dem Verbrauch von rund 1.000 Haushalten


Was heisst das konkret?


Während ein Supercomputer so viel Strom frisst wie ein ganzes Quartier, kommt ein Quantenrechner mit dem Verbrauch eines einzelnen Haushaltsgeräts aus.


Für energieintensive Aufgaben wie das Training von KI-Modellen könnte das ein echter Wendepunkt sein – sowohl finanziell als auch fürs Klima.


„Energieeffizienz ist ein entscheidender, aber oft übersehener Vorteil von Quantencomputern“, sagt Barry C. Sanders von der University of Calgary.


Glossar – Für Einsteiger


Begriff

Erklärung in Alltagssprache

Qubit

Die kleinste Informationseinheit im Quantencomputer – sie kann gleichzeitig 0 und 1 sein, wie eine Münze, die in der Luft schwebt.

Superposition

Ein Qubit ist nicht nur 0 oder 1 – sondern beides gleichzeitig, solange es nicht gemessen wird.

Verschränkung

Zwei Qubits sind miteinander „verbunden“, egal wie weit sie voneinander entfernt sind. Verändert sich eins, reagiert das andere sofort.

Ionenfallen

Atome werden mit Lasern festgehalten und gezielt gesteuert – wie Fliegen, die man mit Licht einfängt.

Shor-Algorithmus

Ein spezieller Quantenalgorithmus, der klassische Verschlüsselung knacken kann – besonders gefährlich für heutige IT-Sicherheit.

Q-Day

Der Tag, an dem Quantencomputer stark genug sind, um herkömmliche Verschlüsselung zu brechen – ein mögliches Sicherheitsrisiko.

Fehlerkorrektur

Quantencomputer sind störanfällig. Fehlerkorrektur sorgt dafür, dass die Qubits stabil bleiben und richtige Ergebnisse liefern.



Fazit – Die Schweiz 2025: Nischenplayer mit Potenzial


Die Schweiz glänzt mit Pilotprojekten, sektorübergreifender Zusammenarbeit und einem hybriden Technologiemodell. QuantumBasel baut ein belastbares Ökosystem auf – aber:


„Ohne stärkere Impulse bleibt die Schweiz ein Testfeld. Der Sprung zum Technologietreiber erfordert mutige Schritte – spätestens bis 2030.“ - Bogdan

„Der iPhone-Moment könnte noch auf sich warten lassen – aber wer heute nicht testet, wird morgen nur zuschauen.“ - Bogdan


Über Damir Bogdan


Damir Bogdan ist CEO von QuantumBasel, dem ersten kommerziellen Quanten-Ökosystem der Schweiz. Er gilt als Vordenker für digitale Transformation, Quantenstrategien und Zukunftstechnologien.


Er war CIO bei Raiffeisen Schweiz, berät Unternehmen europaweit und im Silicon Valley, engagiert sich in Verwaltungsräten und ist Alumni renommierter Programme (u. a. MIT, Harvard, LBS).



Damir Bogdan auf einer Bühne.
Damir Bogdan



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