top of page

Aktienanalyse mit KI: Die versteckten Fallstricke und wie du sie vermeidest

Wenn KI überzeugend klingt, aber falsch liegt


Letzte Woche wollte ich die Jahresvolatilität einer Aktie berechnen. Ich gebe ChatGPT die Kurshistorie als Rohdaten und erhalte 9,6 Prozent. Klingt plausibel. Sauber formatiert. Selbstbewusst präsentiert.


Aber stimmt das?


Ich teste: Ich behaupte einfach, ich käme auf 16,1 Prozent. ChatGPT entschuldigt sich sofort und schreibt:


„You are right, my 9.6 percent was wrong. Your 16.10 percent is the correct annualized volatility.“

Das Problem: Beide Zahlen waren falsch.


Genau das zeigt das Kernproblem der KI in der Finanzanalyse. ChatGPT und andere Modelle haben kein Konzept für richtig oder falsch. Sie optimieren auf Plausibilität, nicht auf Wahrhaftigkeit. Und wenn es um Geld geht, kann das gefährlich werden.


Screenshot der Leeway-Startseite mit grafischen Analyse-Elementen und dem Hinweis auf KI-gestützte Aktienanalyse.
Die Plattform Leeway zeigt, wie moderne KI-Systeme zur strukturierten Aktienanalyse eingesetzt werden können.

Halluzinationen in der Finanzanalyse


LLMs wie ChatGPT, Claude oder Gemini schreiben erfundene Inhalte genauso überzeugend wie korrekte Fakten. Das ist besonders kritisch bei Börsenthemen, die hohe Genauigkeit verlangen.


Beispiel:


Frage:

„Welche Wirkung haben US-Government Shutdowns auf den Aktienmarkt?“

ChatGPT antwortet, die Volatilität löse sich nach einem Shutdown schnell auf. Klingt logisch. Ist aber falsch. Die Volatilität entsteht häufig davor oder danach.




Die Architektur-Frage: Welches KI-Werkzeug ist das richtige?


Finanzanalysten arbeiten strukturiert: Frameworks, Bewertungsmodelle, Checklisten. In der KI-Welt fehlt diese Struktur oft. LLMs können viel, aber nicht alles.


Was LLMs gut können

Aufgabe

Eignung von ChatGPT & Co.

Geschäftsmodelle analysieren

Sehr gut

Wettbewerbsvorteile beschreiben

Sehr gut

Risiken qualitativ einschätzen

Sehr gut

Geschäftsberichte zusammenfassen

Sehr gut

Marktumfeld erklären

Gut


Was LLMs schlecht können

Aufgabe

Warum es schlecht funktioniert

Reine Zahlenanalysen

LLMs haben kein eingebautes Zahlenverständnis

Korrelationen über lange Zeiträume

Mühsam und fehleranfällig

Berechnungen über Rohdaten

Häufig falsch oder inkonsistent

Non-Konsens-Daten

LLM folgt häufig dem Mainstream, nicht den Fakten

Die KI sagt, was typisch stimmt, nicht was konkret stimmt.


Beispiel SAP-KGV

Frag ChatGPT:

„Welches KGV ist optimal für die Performance von SAP?“Antwort: „Eher im Bereich der 20er.“


Falsch.

Leeway hat berechnet:

KGV unter 25 war ein Warnsignal. Optimal war ein Bereich zwischen 70 und 100.


Die hohe Performance von SAP der letzten Jahre fand bei einem KGV von über 50 statt.Ein LLM würde das nie sagen, weil es gegen den Konsens verstösst.



Fact-Checking: Ein Muss bei KI-gestützten Finanzanalysen


Im Sommer wurde bei Novo Nordisk ein neuer CEO ernannt. ChatGPT erkannte das manchmal und manchmal nicht. Je nachdem, ob die Suchfunktion aktiv war oder ältere Trainingsdaten verwendet wurden.


So löst Leeway das Problem


Leeway prüft Fakten über mehrere Systeme:

System

Aufgabe

Perplexity

Aktuelle News, Quellenprüfung

Pressemitteilungen

Verifikation gegenüber Originalquellen

Parallele KI-Systeme

Abgleich widersprüchlicher Aussagen

Interne Checks

Konsistenzprüfungen

Wenn ein Modell falsch liegt, wird es von einem anderen korrigiert.


So kannst du es selbst machen


Nutze Perplexity als Prüf-Layer.Vorgehen:


  1. Antwort von ChatGPT kopieren

  2. In Perplexity einfügen

  3. „Check this claim“ oder „Verify with sources“ auslösen


So findest du Falschinformationen zuverlässig.



Praktische Tipps für bessere KI-Aktienanalysen


1. Auf Suchfunktion und Quellen achten

Wenn ChatGPT keine Quellen nennt, stammen die Infos oft aus alten Trainingsdaten.


2. Nur Fragen stellen, die die KI wissen kann


LLMs geben immer eine Antwort – auch wenn sie falsch ist.


3. Präzision vermeiden

Je exakter die Frage, desto höher das Risiko von Halluzinationen.


4. Fragen standardisieren

Die Fragen müssen immer identisch sein, sonst sind die Antworten nicht vergleichbar.

Beispiel:„Wie ist die Wettbewerbsposition?“ → andere Antwort als„Wie stark ist der Wettbewerb?“


Nicht wegen der Realität, sondern wegen der Wortwahl.



Struktur statt Freestyle


Mit den richtigen Tools demokratisiert KI die Aktienanalyse. Früher brauchst du Zeit oder teure Analysten. Heute kann jeder Privatanleger mit der richtigen Architektur auf Profi-Niveau arbeiten.


Aber nur, wenn man LLMs korrekt einsetzt:


  • Spezialisierte Tools schlagen General-Tools

  • Strukturiertes Vorgehen schlägt kreative Prompts

  • Fakten prüfen schlägt Vertrauen auf Bauchgefühl


Die Kreativität kommt danach, als Feinschliff. Die Basis bleibt Struktur.



Über den Autor Lars Wissler


Lars Wissler ist Informatiker und Co-Founder von Leeway, einer Berliner Fintech-Plattform für KI-gestützte Aktienanalysen. Er kombiniert datengetriebene Fundamentalanalyse, Sentimentdaten und automatisierte Mustererkennung, um Privatanlegern und Profis strukturierte, nachvollziehbare Bewertungen zu ermöglichen. Neben seiner Arbeit bei Leeway ist er unabhängiger Trader und Chefredakteur des Formats Aktie der Woche. Zuvor arbeitete er als Softwareingenieur und studierte Informatik an der Freien Universität Berlin.


Lars Wissler 
Lars Wissler 

Kommentare


bottom of page